Die arabische Kultur mit all ihren bestaunenswerten Besonderheiten sowie sicher anfangs auch befremdlichen Eigenheiten ist ein Aspekt, der Arabien-Fans wie mich immer wieder in seinen Bann zieht. Wie ich schon oft geschrieben habe, sind die Arabischen Emirate keine typische Party-Urlaubslocation; hier fühlen sich vor allem kulturinteressierte Menschen wohl, denen es Freude macht, für die Zeit ihres Aufenthalts in die dort vorherrschende Kultur einzutauchen und so möglichst viel über das besuchte Land in Erfahrung zu bringen. Wer sich den dort gepflegten Traditionen gegenüber offen zeigt, und sie von Anfang an respektiert, wird sie – und damit auch die Einheimischen, die nach ihnen leben – vielleicht eines Tages sogar verstehen.
Wer häufiger in der arabischen Welt reist, lernt mit etwas Glück nach und nach automatisch, mit den kulturellen Gepflogenheiten der Menschen dort umzugehen. Wer jedoch unerwartet businessmäßig mit dieser Region zu tun bekommt, ist verständlicherweise zunächst meist ratlos. Wie gehe ich mit Arabern bzw. mit den Bewohnern der Golfstaaten im Geschäftsleben um? Wie ticken sie? Was erwarten sie von mir? Diese und ähnliche Fragen schießen den Involvierten sofort durch den Kopf, denn selbst ohne die Details zu kennen, existiert ein implizites Wissen, dass durchaus frappierende kulturelle Unterschiede existieren, die sich natürlich auch stark in der Beziehung zwischen Kunden und Dienstleistern sowie zwischen Angestellten und Führungspersonen niederschlagen, wenn eine der beiden Seiten arabische und die andere europäische Wurzeln hat.
Da kommen Ratgeber wie Dr. Zeina Matars erst kürzlich erschienenes Buch „Geschäftskultur. Arabische Golfstaaten“ genau recht. Ich habe es gelesen (lieben Dank noch einmal an den CONBOOK Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!) und möchte es Euch hier vorstellen. Auch wenn Ihr nicht geschäftlich mit Arabien zu tun habt: Das Buch erlaubt einen aufschlussreichen Streifzug durch die Denkweise der golfarabischen Kulturen. Ausgehend von dem wissenschaftlichen Ansatz, dass europäische Kulturstandards in Arabien einen ganz anderen oder sogar keinen Stellenwert haben, gibt die Autorin einen interessanten und praxisorientierten Einblick rund um das Thema Business mit Golfarabern. Man erfährt, was hinter der inflationär gebrauchten Floskel „no problem“ steckt, wann die sogenannte Dreimal-Regel zum Einsatz kommen sollte und warum Beziehungspflege in dieser Region der Welt das A und O einer guten Geschäftspartnerschaft ist. Die Behandlung der Fragen, inwiefern die Religion ins Geschäftsleben mit hineinspielt, was unbedingt beachtet werden muss, damit stets alle Involvierten ihr Gesicht wahren und welche Auswirkungen es hat, mit Teams zu arbeiten, die bunt zusammengewürfelt sind aus Expats aller Nationen, waren für mich die Highlights der Lektüre.
Wichtig zu wissen ist allerdings, dass es sich bei „Geschäftskultur. Arabische Golfstaaten“ um ein Kompaktwerk handelt, dass schlaglichtartig die wichtigsten Aspekte aufgreift, um dem Leser einen ersten Überblick zu verschaffen. Richtig tief steigt man jedoch nicht in die Materie ein, und an einigen Stellen mag sich ein penibler oder besonders wissbegieriger Leser gegebenenfalls etwas mehr Detailliertheit wünschen. Drei Beispiele: Die Autorin schreibt verallgemeinernd, dass Alkohol in den VAE verfügbar sei, ohne zu erwähnen, dass er im Emirat Sharjah gar nicht ausgeschenkt wird. Desweiteren hätte ich mir gewünscht, dass die Sonderrolle Saudi-Arabiens noch etwas deutlicher dargestellt wird, denn immerhin ist schon die Einreise in das Land selbst für Geschäftsreisende ein bürokratischer Kraftakt sondergleichen. Zuletzt muss ich anmerken, dass ich die abrissartigen landeskundlichen Passagen zu jedem Land oder auch zum Islam allenfalls als Aufforderung verstehen möchte, weiterzulesen. Mir persönlich erscheint diese Menge an Input für den verbrüdernden After-Work-Smalltalk einfach als nicht ausreichend.
Dennoch muss ich wirklich anerkennend sagen, dass das Buch auf seinen nur 100 Seiten (perfekt für gestresste Businessleute!) in übersichtlicher Form hervorragend auf die wichtigsten Unterschiede im Denken und Handeln der Araber aufmerksam macht und zudem Tipps gibt, wie man sich als Ausländer so verhalten kann, um erstens möglichst nicht anzuecken und zweitens die Signale des Gegenübers in Wort und Handlung richtig zu deuten – zwei Kernkompetenzen für die Vorbereitung und Erhaltung erfolgreicher geschäftlicher Beziehungen! Mein Fazit also: bei „Geschäftskultur. Arabische Golfstaaten“ ist eine Einstiegslektüre, die sich jeder Beginner gelesen haben sollte!
Übrigens: Der Aufbau des Buches hat mich sehr beindruckt! So wünscht man sich ein Werk, das Wissen vermitteln soll: Im Text befinden sich Links mit Codenummern, unter denen im Internet weiterführende Infos abgerufen werden können und am Ende eines jeden Kapitels gibt es eine Zusammenfassung mit den wichtigsten Dos und Don’ts. Aufgelockert wird das Ganze noch einmal durch Interviews, in denen Experten mit Vor-Ort-Erfahrung zu Wort kommen. Gold wert ist sicher zudem die Sammlung von Adressen am Schluss, die Anfängern die Recherche nach wichtigen Kontaktstellen um einiges erleichtern dürfte. Ein einfallsreiches Gimmick ist das beiliegende mit den wichtigsten Lerninhalten bedruckte Lesezeichen!
Ihr wollt noch mehr über die Neuerscheinung aus dem CONBOOK Verlag erfahren? Hier geht es zur offiziellen Pressemitteilung!