Wen die faszinierende Rub al-Khali nicht mehr loslässt, der giert natürlich auch nach Literatur über diese Wüste, welche nicht nur interessante Hintergrundinformationen liefert, sondern zudem die Zeit bis zur nächsten Reise überbrücken mag. Bei meinen Recherchen bin ich auf Wilfred Thesigers Reisebericht „Die Brunnen der Wüste“ gestoßen, in dem der Abenteurer seine beiden großen Durchquerungen des Leeren Viertels beschreibt.
Ich muss gestehen, dass ich etwas länger brauchte, bis ich das Buch durchgelesen hatte, denn es hat durchaus seine Längen… Es handelt sich eben nicht um einen Roman mit kontinuierlichem Spannungsbogen, sondern um einen eher nüchtern anmutenden Bericht, der aus der Retrospektive von einem Reisenden geschrieben worden ist, der zwischen 1947-1950 in wissenschaftlicher Mission in der Rub al-Khali unterwegs war und dort auch fotografierte.
Ein bisschen schade fand ich, dass die beiden Wüstendurchquerungen selbst nur einen kleinen Teil des Buches ausmachten. Die restlichen Kapitel beschäftigen sich größtenteils mit Vor- und Nachbereitungen. Natürlich kommt der Wüstenfan auch hier auf seine Kosten, denn im Grunde geht es auch in diesen Abschnitten um Wüstengebiete, die ja einen Großteil der Arabischen Halbinsel ausmachen, und ihre Bewohner.
Etwas wenig ermüdend erschienen mir die endlosen Beschreibungen der verschiedenen rivalisierenden Wüstenstämme, deren Feindschaften untereinender (und gegenüber „Ungläubigen“ sowieso) das Reisen für Thesiger oft sehr viel beschwerlicher machten als die lebensfeindliche Natur der Wüste selbst. Irgendwann hatte ich bei den ganzen Stammesbezeichnungen leider auch den Überblick verloren. Dennoch: Ein authentischer Reisebereicht sollte solche Informationen natürlich nicht aussparen.
Thesigers größte Leistung: Völlige Hingabe an die Wüste und ihre Bewohner
Und im Grunde wird es dann schon spannend, wenn Thesiger und seine kleine Beduinengruppe ihr Leben aufs Spiel setzen, weil sie Durchreiseverbote missachten oder eine Erlaubnis mit viel diplomatischem Geschick doch noch erwirken können bzw. einen Führer überreden können, sie sicher durch seine Stammesgebiete zu geleiten. Auch wenn der Weg bis zum nächsten Brunnen nicht mehr zu bewältigen scheint, die Begleiter Thesigers ihr Schicksal aber nur in Allahs Hände legen, fiebert man mit.
Kurzum: Thesiger hat viel geleistet, wenn auch keine Pionierarbeit. Er gehörte zusammen mit Bertram Thomas und Harry St. John Philby aber dennoch zu den ersten Wissenschaftlern, die die Rub-al-Khali detaillierter kartographieren und besser erforschen wollten. Mehr als einmal hat er bei diesen Expeditionen auch sein Leben aufs Spiel gesetzt. Das Besondere an seiner Reise ist nicht so sehr das WAS, sondern das WIE. Wichtig ist ihm stets die Augenhöhe zu seinen Beduinen-Begleitern, wofür er unendliche Anstrengungen in Kauf nimmt.
Viel von dem Zauber, den Thesiger bei seinen Reisen empfunden hat, liest man jedoch eher in ein paar Nebensätzen wie zufällig. Da geht es um das aufopferungsvolle Wesen und die ursprüngliche Lebensweise der charakterstarken Beduinen, um die leise Trauer über den Verfall einer alten Kultur durch die auch in der Wüste voranschreitende Industrialisierung und natürlich um eine atemberaubend schöne Kulisse, die den Forscher gefangen nahm und dafür sorgte, dass er sich in der westlichen Zivilisation zunehmend unwohl fühlte:
„Stunde um Stunde, Tag um Tag zogen wir dahin, und nichts änderte sich. Die Wüste und der leere Himmel trafen sich stets in der gleichen Entfernung. Zeit und Raum waren eins. Um uns ein Schweigen, in dem nur die Winde spielten, und eine Reinheit, die der Welt der Menschen unendlich weit entrückt war.“
Thesiger, Wilfred: Die Brunnen der Wüste. Mit den Beduinen durch das unbekannte Arabien. Piper, 9. Auflage, März 2010.
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